„Schwäche und somit Verletzlichkeit zu zeigen, bedeutet stark zu sein“, ist freilich einfach gesagt, die Einsicht schnell getroffen, jedoch lässt sich dies auch tatsächlich leben, gerade im Kontext von Liebe?
Brené Brown forscht zum Thema menschliche Beziehungen und sieht im Umgang mit Verletzlichkeit (vulnerability) den Schlüssel zu tiefgehenden Beziehungen und letztlich somit einem erfüllten und glücklichen Leben. Im Kontext einer „Leistungsgesellschaft“ eine mutige Aussage, die ich voll und ganz unterstützen kann. Dabei ist der Zusammenhang eben für viele jetzt vielleicht überraschend so, dass je mehr wir Schwäche und somit Verletzlichkeit zulassen können, umso eher werden wir auch tiefe und innige Beziehungen haben können.
Ich wurde gefragt, wie ich dazu stehe, dass auch in einer Liebesbeziehung die wahren und ehrlichen Gefühle kompromisslos offengelegt werden, also im Fall einer Liebe tatsächlich auch eingestanden wird, dass ich die/den PartnerIn liebe, genauso, wie sie/er ist. Es zeigt sich, dass dies wohl für sehr viele ein sehr schwieriges, wenn nicht sogar unmögliches Unterfangen ist.
„Ich brauche Dich, weil ich Dich liebe“, sagt Erich Fromm, wäre die erwachsene Liebe.
Im Kontext von Verletzlichkeit ist dies eine Aussage, die wohl kaum durch eine andere zu übertreffen ist. Das Eingeständnis von Liebe ist gewiss schon schwierig. Wir allen kennen die Spielchen von Teenagern z.B. mit einer Blume und der Anzahl der Blätter und der Frage, Sie/Er liebt mich, oder nicht. Die Anzahl der Blätter soll zufällig entscheiden. Der Hintergrund der Übung ist die Angst, zurückgewiesen, beschämt und somit verletzt zu werden. Die Steigerung dabei ist, der/dem PartnerIn nicht nur die Liebe einzugestehen, sondern auch noch zusätzlich die Abhängigkeit zu ihr/ihm, das „Ich brauche Dich“ auszusprechen.
Es bedeutet nichts weniger, als das Eingeständnis, dass ich ohne Dich nicht leben kann und somit mache ich mich abhängig und exponiere mich der Verletzlichkeit voll und ganz. Die Schmerzen eines gebrochenen Herzens (takotsubo) sind schier unbeschreiblich, bei einer Verliebtheit oder auch noch schwieriger bei wahrer, vielleicht über viele Jahre gewachsener und echter Liebe, die Sterbequote beachtlich.
Sich derartige auf einEn PartnerIn, auf eine Liebesbeziehung einzulassen bedeutet auch, die Machtfrage zu übergeben und somit letztlich Schwäche einzugestehen, sich in einer gewissen Weise abhängig zu machen und vielleicht sogar ein Stück weit zu unterwerfen. Ohne Erwiderung ist das nahe am „Selbstmord“ im Grad der Verletzlichkeit und den möglichen Schmerzen, der man sich ausliefert. Und doch, genau das ist es, was die bedingungslose Liebe ausmacht. Den Mut zu haben, die Verletzlichkeit bedingungslos zuzulassen und sich voll und ganz der/dem PartnerIn auszuliefern und dann darauf zu vertrauen, dass die Liebe erwidert wird.
Darauf basieren dann paradoxe Einsichten, wie „die Liebe ist das schönste Unglück, dass einem im Leben passieren kann“.
„Willst Du eine lebendige und dauerhafte Beziehung habe, so darfst Du dich niemals komplett der/dem Partner offenbaren, denn sonst bleibt kein Restzweifel, kein Spiel mit der Ungewissheit1 Die Erotik bedingt das Ungewisse, doch das ist eine andere Geschichte, als die von der bedingungslosen Liebe. „Desire and curiosity – the not having allows us to want more. Surprise is the central element of erotic.““, wäre die Gegenthese.
Ich halte davon nichts, denn dies wäre so ziemlich das genaue Gegenteil von bedingungsloser Liebe. Ein andauerndes Spiel von „halb-stärke“, von einem „sich-besser-darstellen“ in einem Wettbewerb von Eitelkeiten, ohne Eingeständnis von Verletzlichkeit. Der Schutz bleibt bestehen, die Angst ist mit in der Beziehung, die Liebe – so davon gesprochen werden kann – bleibt bedingt. Bedingt darauf, nicht verletzt zu werden, nicht vollständig in den Abgrund gestürzt werden zu können, bedingt darauf, sich emotional nicht vollständig abhängig zu machen von der/dem PartnerIn.