Kommerzialisierung bedeutet in erster Linie, selbstverständlich verkürzt dargestellt, dass Menschen und Dinge käufliche werden. Im Kontext von Menschen sprechen wir da von „Prostitution“, „Opportunismus“ oder neuerdings vielleicht auch zunehmend „Narzissmus“. Im Kontext von Dingen sprechen wir davon, dass sich diese Dinge (Wohnungen, Häuser, Autos, Kleidung, Essen, Bücher, Stühle, etc.) kaufen lassen.

In diesem Kontext hier geht es ausschließlich um die Kommerzialisierung von Menschen. Michael J. Sandel (z.B. in „What money can’t buy. The moral limits of markets.“) oder auch Erich Fromm (z.B. in „Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft.“) machen eine klare Unterscheidung zwischen „Menschen“ und „Dinge“ und führen eindringlich aus, dass es letztlich vor allem zwei „Dinge“ gibt, die Menschen nicht kaufen können – (1) Liebe und (2) Respekt.

Nunmehr leuchtet, so hoffe ich, rasch ein, dass Liebe und Respekt eben keine „Dinge“ sind. Liebe und Respekt sind Gefühle, Emotionen, sind Formen eines zwischenmenschlichen Umgangs. Es sind eben genau keine „Dinge“.

Die erste Ebene (1) der Kommerzialisierung ist, wenn ein Mensch etwas für Geld tut. Ein Mensch, der käuflich ist indem was dieser Mensch tut, prostituiert sich (das hat zunächst in keinster Weise etwas mit sexualisierter oder körperlicher Prostitution zu tun, das sei hier ganz wesentlich herausgestrichen). Sich „zu prostituieren“ bedeutet, etwas für Geld zu tun.

Jeder Mensch, der Geld verdienen muss, um überleben zu können, prostituiert sich somit mehr oder weniger. JedEr MangerIn tut diese heute ganz selbstverständlich. Bei ManagerInnen in höheren Führungsebenen ist es zwischenzeitlich vollkommen Usus oder gewöhnlich, dass sie auch (mehr oder weniger) „leistungsabhängige Gehaltsbestandteile“ bezahlt bekommen. Es bedeutet übersetzt nichts anderes, als dass sie besondere Bezahlungen dafür bekommen, so sie besondere „Leistung“ im Sinne der Profit-Maximierung des Unternehmens erbringen. Im Jahr 2008 hat im Wesentlichen dieser Umstand zu einer der größten Krisen, der globalen Finanzkrise, geführt. Die Arbeit war so stark „kommerzialisiert“, dass die Gier überhand nahm und somit Spekulationen durchgeführt wurden, die letztlich nicht gut waren. Dabei hat sich die (Finanz-)Welt in eine Art „globales Glücksspiel“ verändert. Wobei es vor der Ausbreitung der Kommerzialisierung ein Selbstverständnis gab, in dem „Glückspiel“ als süchtig und somit krank machend galt.

Wenn Menschen für Geld etwas tun, so ist das „Prostitution“. Es gab ein Selbstverständnis, bei dem „Prostitution“ als schwierig betrachtet wurde. Ich würde es so sehen, dass „Prostitution“ mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht glücklich oder glücksbringend ist und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die jeweiligen Personen krank macht und soziale Beziehungen erschwert und/oder weitestgehenden zerstört.

Opportunismus ist dabei eine Form der „Prostitution“, eine Art „Prostitution“ gegenüber sich selber und ist somit in engem Kontext mit dem Konzept des „Narzissmus“. Es geht dabei um die Selbstbezüglichkeit von Handlungen, die nichts anderes auch bedeutet, als die Kommerzialisierung von Handlungen. So ich etwas tue, weil ich mir daraus einen persönlichen Vorteil erhoffe, egal was mit der/dem anderen dabei passiert. Betriebswirtschaftslehre unterrichtet dieses Selbstverständnis nunmehr seit vielen Jahren als ein „Ideal“ für die menschliche Selbstentwicklung, es wird u.A. als „Nutzenmaximierung“ im Kontext des „homo oeconomicus“ bezeichnet.

Schon bemerkenswert und eigenartig, wie Rücksichtslosigkeit, ein anderes Wort für „Nutzenmaximierung“, „Opportunismus“ oder „Narzissmus“, es geschafft hat, positiv konnotiert zu werden. Die Erklärung dafür ist das Konzept der „Kommerzialisierung“ und die Vorstellung, alles, eben auch Liebe & Respekt, wäre käuflich und das wäre auch gut und gesund so.

Somit ist es aus meiner Sicht primär durch die Kommerzialisierung passiert, dass (1) Gier Anfang des 21. Jhd. positiv konnotiert ist.

Die zweite Eben (2) der „Kommerzialisierung“, die viele Menschen und somit weite Teile unserer Gesellschaft krank macht, ist die „Kommerzialisierung unseres Selbst“. Kommerzialisierung bedeutet etwas zum Verkauf anzubieten. Verkaufen bedeutet, etwas beschönigt darzustellen. Der Akt, sich selber zu „verkaufen“, bedeutet somit, sich beschönigt darzustellen. Für einen gesunden Menschen ist dies anstrengend und deshalb auch krank machend, denn der Mensch kann in diesem Kontext nicht authentisch und somit gesund sein. Echte und tief-gehende Freude können wir nur dann empfinden, so wir authentisch sein können, echte und tief-gehende Liebe nur dann erleben, so wir Schwäche und Verletzlichkeit zulassen und zeigen können.

Deshalb ist das gesunde Verständnis von Liebe „Ich liebe Dich, genau so, wie Du bist.“ und nicht „Ich liebe Dich, weil Du toll bist.“ oder „Ich liebe Dich, weil Du für mich tolle Dinge tust/leistest.“.

Es ist Usus oder auch gewöhnlich geworden, wenn sich Menschen öffentlich super toll präsentieren. Die Werbung, u.A. Andy Warhol hat dies eindrücklich parodiert, will genau das. Denn das fördert den Konsum. Die (durchgängig kommerzialisierten) Populär-Medien (Facebook, Instagram, TikTok, RTL, etc.) fördern dieses Verhalten und machen somit Milliarden von Menschen und weite Teile des sozialen Gefüges mehr oder weniger instabil und krank.

Somit ist es aus meiner Sicht primäre durch die Kommerzialisierung passiert, dass auch (2) Eitelkeit Anfang des 21. Jhd. gut konnotiert ist.

Ich möchte es (wieder) erreichen, dass die von René Girard als „mimetische Kräfte“ bezeichneten Un-Formen des gesellschaftspolitischen Verhaltens, Gier und Eitelkeit, eine ganz klar negative, krank machenden Konnotation bekommen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kommerzialisierung Gier und Eitelkeit befeuert hat, um Wirtschaftswachstum über Konsumstimulation zu erzeugen. Die „Leistungsgesellschaft“, die ein flächendeckendes Minderwertigkeitsgefühl entstehen und somit „Opportunismus“ und „Narzissmus“ epidemisch macht, befeuert dies zudem. Somit wurde hier ein (selbst-)zerstörerischer und selbst-verstärkender Kreislauf über die Liberalisierung von Märkte und die Kommerzialisierung von „Menschen“ und „Dingen“ angestoßen, die einen enormen (gesellschaftspolitischen und gesundheitlichen) Kollateral-Schaden verursachen und uns letztlich auch in die drohende Klima-Katastrophe durch die von uns Menschen gemachte globale Erderwärmung aufgrund des kaum zu stoppenden Konsums von Gas, Kohle, Öl und Fleisch führt.

Zugegeben, dass sind keine einfachen, komplexe Zusammenhänge.