Es wird immer wieder, vor allem in Politik, Kunst und Kultur, über die ohne jeden Zweifel katastrophalen Taten im Faschismus unter der Führung von Adolf Hitler gesprochen, primär die Ermordung von ca. 6 Millionen Menschen mit jüdischen Glaubensbekenntnis, dem so genannten „Holocaust“1 https://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust. Das ist eine Tragödie, die sich in seinem Muster sehr bedauerlicherweise täglich wiederholt. Die historische Aufarbeitung ist sehr wichtig, der Bezug zur Gegenwert und zu den aktuellen Geschehnissen aus meiner Sicht noch viel wichtiger, jedoch leider unterbelichtet. Aus historischer Betrachtung war der „Holocaust“ in seinem Muster nicht neu und das Muster des „Faschismus“, dass hinter dem „Holocaust“ stand, weiterhin weit verbreitet.
Erich Fromm schreibt in seinem Buch „Die Pathologie der Normalität: Zur Wissenschaft vom Menschen“ (1953) von der „Entfremdung“ und erklärt damit das, was ich als „Alltagsfaschismus“ oder auch als „alltäglichen Faschismus“ bezeichnen möchte.
Ein Mensch, zumeist unter Einfluss einer Gruppe (group-think), kommt zu dem Schluss, dass es eine gewisse „Normalität“ gibt. Diese „Normalität“ entspricht dem Selbstverständnis und der Weltanschauung dieses Menschen. Was nicht dieser „Normalität“ entspricht ist folglich „abnorm“ und muss in den Augen dieses Menschen weg, bekämpft und im schlimmsten Fall ermordet und verscharrt werden (u.a. Günter Brus hat dies mit seiner Aktion „Wiener Spaziergang“ 1965 eindrücklich zur Schau gebracht, aufgedeckt oder auch aufgezeigt).
Dieses Muster verfolgt uns tagtäglich, im Kleinen (z.B. der Streit zwischen Kindern) oder auch im Großen (z.B. die Ermordung von Alexei Anatoljewitsch Nawalny durch die „Russische Föderation“ unter der Führung von Vladimir Putin). Dabei geht es „ganz einfach“ darum, dass Dinge und Menschen so sein sollen, wie es „normal“ ist, dass Dinge und Menschen so bleiben sollen, wie es „normal“ ist. Doch wer definiert nun, wann Dinge und Menschen „normal“ sind und was passiert mit all den Dingen und Menschen, die dann eben nicht „normal“, also „abnormal“ oder verrückt oder besser „ver-rückt“ sind.
Im Muster des Alltagsfaschismus ist die Antwort „einfach“: Dinge und Menschen, die nicht „normal“ sind, werden zum Feind erklärt, zur Gefahr, zur Bedrohung, die bekämpft werden muss. In dieses lineare Muster passen dann auch „Prinzipien“ wie Treue, Stolz, Heldentum, Tapferkeit oder Patriotismus.
Dabei ist jeder Streit, so klein und beiläufig dieser Streit auch sein mag, schon Zeichen von „Alltagsfaschismus“. Der Streit hat seine Wurzel darin, dass jemand will, dass jemand anderes „normal“ ist, sich entsprechend verhaltet und dadurch entsteht dann eine „Entfremdung“, wie das Erich Fromm bezeichnet hat. Es ist eine „Entfremdung“ von sich selbst und auch eine „Entfremdung“ von der/dem anderen.
Es gibt einen „einfachen“ Ausweg, das ist das Konzept der „Gesundheit“, worauf auch wiederum Erich Fromm zurück geht. Der moralische Imperativ könnte sein: „Es ist gut, was uns gesund macht.“ Dabei inkludiert das Konzept der „Gesundheit“ die Konzepte wie „Zufriedenheit“ oder auch „Glückseligkeit“.
Würden wir alle nach diesem Imperativ „Es ist gut, was uns gesund macht.“ leben, wir hätten dann eine „gesunde Gesellschaft“ ohne jeden „Alltagsfaschismus“. Dies erfordert jedoch ein hohes Maß an Empathiefähigkeit, die Kenntnis rund um liebevoller Kommunikation, die Fähigkeit, eigene Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse vorwurfslos oder vorwurfsfrei auszudrücken, Geduld, Disziplin, Aufmerksamkeit, (Selbst-)Reflexion und vor allem Liebe.
Wobei die Fähigkeit „zu lieben“ zentral, wesentlich und unübertroffen wichtig ist. Die Fähigkeit „zu lieben“ kann erlernt werden. Sie beruht auf der Zufriedenheit mit sich selbst und dem Selbstverständnis, dass ich so bin, wie ich bin und das ist zunächst gut so und hat ausschließlich mit mir selber etwas zu tun. Das wäre dann ein „gesundes Ich“, das in der Folge widerstandsfähig ist und ehrlich zu sich und allen anderen sein kann. Auf Basis dieser Zufriedenheit kann dann auch Ehrlichkeit im „Miteinander“ entstehen, mit dieser Ehrlichkeit und Authentizität kann dann Liebe zu anderen entstehen, somit gute soziale Beziehungen, damit wiederum ein gesundes Leben und eine gesunde Gesellschaft.
Jeder Ruf nach Dinge und Menschen „in Ordnung zu bringen“, „vernünftig zu sein“, „Hausverstand walten zu lassen“, „es normal zu machen“, „anständig oder brav zu sein“ sind Ausdruck von menschenverachtenden Alltagsfaschismus und Projektion der eigenen Vorstellung von „Normalität“ auf die Allgemeinheit. Dieses Selbstverständnis, der „Alltagsfaschismus“ lauert tagtäglich und breitet sich bedrohlich aus, so sich „Gleichgesinnte“ zusammen finden, sich auf ein gemeinsames Selbstverständnis von „normal“ einigen und ein gemeinsames „Feindbild“ finden. So sie dann auch noch wollen, dass dieser „Feind weg muss“, dann wird es tatsächlich „ver-rückt“ und (sehr) gefährlich.