Verschiedene DenkerInnen und SchreiberInnen (u.A. Michale J. Sandel: What money can’t buy) sind sich einig, dass im Wesentlichen Liebe und Respekt etwas ist, dass nicht käuflich ist. Es macht eben einen großen, wesentlichen Unterschied, ob z.B. ein Mann Sex mit einer Frau hat und dafür bezahlt oder eben Sex mit einer Frau hat, weil eine gegenseitige Anziehung, ein Begehren und im besten Fall Liebe und Gefühle vorhanden sind.
Wir prostituieren uns in vielerlei Hinsicht in der kommerzialisierten Leistungsgesellschaft. Erich Fromm hat in diesem Zusammenhang vom „Marketing-Ich“ gesprochen. Wir stellen uns laufend besser dar, als wir tatsächlich sind und müssen dann wieder sehr viel dafür investieren, um gesund zu bleiben, um nicht auszubrennen, um nicht unsere Identität, unsere Seele oder auch unsere ganze Kraft im Widerstreit zwischen äußeren Anspruch durch Leistungsdruck und inneren Selbstwert zu verlieren.
Das „Ich“ wird zu einem Produkt, einer Ware und die Beziehungen zwischen den Menschen, auch die scheinbar noch privaten, beruhen immer mehr auf dem „Haben“, auf dem Nutzen, den eine Beziehung für einen haben kann. Kommerzielle Interessen stehen im Vordergrund und verdrängen Sympathie, Gefallen oder vielleicht sogar Liebe. Beziehungen werden zu einem Geschäft von Geben und Nehmen und beruhen auf einem kommerziellen Ausgleich, einem ausgeglichenen Nutzwert.
Im beruflichen Kontext ist das zumeist ganz wesentlich. Mit jemanden zu arbeiten, den man dann auch noch sympathisch findet, gilt hier wohl eher als „Bonus“, denn als „must-have“. Die „Strategie“ des „sympathisch machen“ ist z.B. gerade in der Beratung durchaus gängig und wird offen „einkalkuliert“. Dagegen ist moralisch nichts einzuwenden, das ist ganz wesentlich zu betonen in diesem Kontext. Es geht um die Unterscheidung zwischen „Schein“ und „Sein“.
Die Darstellung ist Teil des Verkaufes, Teil der Vermarktung und Komponente im Wettbewerb. Entweder kann der Wettbewerb verändert werden oder die Personen sind nicht in der Lage, dem Wettbewerb Stand zu halten. Wesentlich ist, dass es in dem Kontext darum geht, „Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen“. Niemand, der längerfristig in einem kommerzialisierten und somit kompetitiven Umfeld überleben will, wird von sich aus Schwächen offen zugeben.
Was geht, ist das Eingeständnis von Empathie, wobei jede Form von Gefühl schon in Richtung „Schwäche“ verdächtig ist. Macht und Machterhalt bedingt zunächst Willens- und Durchsetzungsstärke. Kommerzialisierung bedingt Gier, alles andere wäre naiv. Denn es geht um die Maximierung von Profit und diese ist mit Gier verbunden. Da spielen die „inneren“ Werte bestenfalls nebensächliche Rolle, Nachhaltigkeit bestenfalls als Marketing-Tool. So ist das System. Es ließe sich ändern, das ist wesentlich zu verstehen.
Wettbewerb ist kein „Naturgesetz“, nein, es ist von uns selber erfunden. Die Kommerzialisierung fördert die Gier und somit all die mimetischen Kräfte ebenso, wie Neid, Eifersucht und Minderwertigkeit.
An Anfang des 21.Jhd. lässt sich vor allem eine Epidemie erkennen, jene von zerbrochenen Beziehungen. Im Zentrum von Beziehung steht der Selbstwert, das Selbstwertgefühl, vielleicht auch die „Selbstliebe“ oder auch die Stärke des „inneren Kindes“. Eine gesunde Beziehung, vielleicht sogar auf Basis einer bedingungslosen Liebe, beruht auf einem gesunden Selbstwert beider Partner. Das ist auch so bei Freundschaften. Dies ist die Voraussetzung für etwas ganz Entscheidendes innerhalb von Beziehungen – wir können so sein, wie wir sind und unser Partner liebt uns gerade für die „Schwächen“ und „Maken“, die wir vielleicht haben. Es sind immer die außerordentlichen, besonderen Merkmale, die einen Menschen letztlich besonders liebenswert machen.
Im Kontext der Kommerzialisierung entstehen zwei wesentliche Drifts, die dies deutlich erschweren.
(1) Eine Kommerzialisierung bewirkt zwingend eine Normierung rund um den statistischen Mittelwert, den Durchschnitt, weil darüber die größte Menge mobilisierbar ist und
(2) eine Kommerzialisierung erhöht den Druck, sich besser darzustellen, die Stärken vor-anzustellen und die Schwächen zu verbergen.
Das eine (1) der Drift zur Normierung fördert den Populismus und kann so Phänomene wie „Nationalsozialismus, Trump, et al.“ erklären, das andere, (2) der Druck zum „Marketing-Ich“, kann das Ausbrennen („burn-out“) und die Trennungsepidemie von Beziehungen erklären.
Bereits Alfred Adler hat eindringlich darauf hingewiesen, dass Wettbewerb den ohnehin natürlich vorhandenen Minderwertigkeitskomplex weiter fördert. Somit zerstört Wettbewerb eine der wesentlichen Grundlagen für gesunde, weil authentische, liebevolle und geborgene Beziehungen. Wer sich ständig im Wettbewerb „prostituiert“, wird früher oder später seine Identität und seine Seele mehr oder weniger verlieren, außer Sie/Er kann sich emotional hervorragend abschotten und kann selbst auch im härtesten Wettbewerb authentisch bleiben und auf seine Ressourcen vertrauen.