Fußball ist momentan eines der beliebtesten und am weitesten verbreiteten Ballspiele (oder Ball-Sportarten) weltweit.
265 Millionen Spielerinnen und Spieler, dazu 5 Millionen Schiedsrichter und Funktionäre: Rund 270 Millionen oder gut 4 % der Weltbevölkerung sind aktiv in den Fußball involviert1vgl. „Big Count 2006“, Umfrage der FIFA bei ihren 207 Mitgliedsverbänden 2006 (http://de.fifa.com/worldfootball/bigcount/index.html, 06.04.2008).
Insofern scheint es legitim, sich einmal die Frage zu stellen, für wem dieses Spiel eigentlich gedacht ist bzw. wem dieses Spiel anzieht und welche Art von Menschen dieses Spiel praktizieren bzw. fasziniert. Denn sollte sich die zugegeben etwas provokante Annahme, dass Fußball ein Spiel für Idioten ist, als argumentierbar herausstellen, so würde dies immerhin gut 4% der Weltbevölkerung unmittelbar und mindestens ebenso viele Fans mittelbar noch dazu betreffen.
Zunächst ist, wie für jede mit der Absicht einer differenzierten Betrachtung angestellte Auseinandersetzung, hierfür die Perspektive der Betrachtung zu wählen bzw. zu unterscheiden. Aufgrund der mir nur beschränkt zur Verfügung stehenden Mittel, will ich mich in dieser Auseinandersetzung (1) auf die Sicht der SpielerIn und (2) die Sicht der ZuseherIn beschränken, da mir diese beiden Perspektiven selber langjährig und eingehend bekannt sich und somit die Darstellung als Ergebnis einer langjährigen, partizipativen Aktionsforschung verstanden werden kann, ohne dass ich das je in dieser Form beabsichtig hatte.
(1) Fußball aus der Sicht der SpielerIn:
Zunächst fällt auf, wenn es um die Betrachtung der Spieler2Nachdem ich in meiner Zeit niemals die Ehre hatte, mit weiblichen KollegInnen zu spielen, beschränke ich mich hierbei auf die rein männliche Schreibweise. und deren Bezug zur Idiotie geht, dass sich, zumindest in meiner Kollegenschaft, fast ausschließlich Spieler vorfanden, die bestenfalls einen mittleren Schulabschluss vorweisen konnten. Der Anteil jener, die sich noch an ein Studium gewagt hatten oder gar abgeschlossen haben, ist sehr gering.
Doch reicht das schon aus, um die Fußballer pauschaliert der Idiotie zu überführen? Der Vergleich mit anderen Spielarten drängt sich auf: Schach, Tennis, Golf, Mensch ärgere Dich nicht, Schnapsen, etc. In diesem Benchmarking schneiden intuitiv betrachtet Fußballer tatsächlich bescheiden ab, als die andern Spielarten mehr oder minder im Kopf entschieden werden.
Nimmt man die Fußball-Spieler, wie sie eigentlich bezeichnet werden, als Fußball-Sportler, so sieht das Ergebnis für die Fußballer etwas besser aus. Dies liegt jedoch nicht unbedingt daran, dass der geistige Bildungsgrad der Fußball-Sportler so hoch ist, sonder vielmehr daran, dass er auch in den anderen Sportarten (Skifahren, Eishockey, Laufen, Radfahren, Boxen, Formel1, etc.) gleichmäßig mäßig ist. Verständlich allerdings, das muss zur Verteidigung der SportlerInnen angeführt werden, den wer sich derartig intensiv – und das ist ganz schön zeitaufwendig – um seine Muskulatur, Kondition und sonstigen sportmotorischen Eigenschaften seines Körpers kümmern muss, dem bleibt keine Zeit mehr für Literatur, Kunst, Politik, Ökonomie, Quantenphysik, Medizin, etc.
Es scheint somit, als würde sich dieser Gedanke nicht weiter fruchtbar fortsetzen lassen.
Ein Perspektivenwechseln kann helfen. Also will ich mich der Frage zuwenden, welche Fähigkeiten einE FußballerIn besitzen muss, um erfolgreich sein zu können?
Zunächst, präamblaisch festgestellt, dies ist von Spielposition (Torfrau, Verteidigung, Mittelfeld, Sturm, etc.) gewiss unterschiedlich, jedoch eines ist vereinfacht zu erkennen. Die Stärken müssen in Laufkraft, Körpergewandtheit, Ballgefühl, Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Sprungkraft, etc. liegen.
Über die Jahrhunderte wurde das Spiel durch ein weites Regelwerk Schritt für Schritt normiert. Die grundsätzliche Idee, einen Ball ohne der Zuhilfenahme der Arme (die Beine und der Kopf haben sich besonders bewährt, jedoch sind alle anderen Körperteile historisch gewiss auch schon Verursacher wesentlicher Elemente des Spieles gewesen, einschließlich der Arme – man denke an das unvergessene Tor von Diego A. Maradona bei der WM in Mexiko – , dies allerdings aufgrund von nicht regelkonformen Verhaltens, das der Wahrnehmung der Schiedsrichter entgangen ist) in einen bestimmten Bereich, als Tor bezeichnet, zu schießen3Früher konnte der zu treffende Bereich mitunter auch ein Stadttor sein und gespielt wurde von Dorf zu Dorf. Heute stellt den Bereich, den es zu treffen gilt, ein auf Millimeter und Form genormtes Balken-Ding dar und als Tor gilt nur, wenn der Ball mit vollem Ball-Umfang über der Linie ist – auch dies hat schon Nationen beschäftigt..
Was folgt daraus: Um das Spiel in seinen Grundsätzen verstehen zu können, bedarf es keiner besonderen Fähigkeiten, was ein starkes Indiz für die Richtigkeit der in diesem Text angestellte Vermutung ist und gleichzeitig auch eine Erklärung für die enorme Verbreitung des Spiels.
Schwieriger wird es da schon, wenn es um ein Verständnis des Regelwerkes geht. Dabei ist auch hierbei das meiste sehr einfach. Einzig eine Regel bereitet dann doch schon so manchen Kopfzerbrechen: Die Abseitsregel – vor allem von den weiblichen Beobachterinnen des Spiels selten verstanden, bedarf es doch auch bei einigen jungen Spielern einiger Erklärungskraft, bis verstanden wurde, was mit „näher am gegnerischen Tor als der letzte Feld-Spieler der gegnerischen Mannschaft“ gemeint sein könnte.
Somit steht einmal fest: Grundsätzlich geht es bei dem Fußball-Spiel darum, den Ball entweder in der eigenen Mannschaft zu halten oder von der gegnerischen Mannschaft mit regelkonformen Mitteln zu erkämpfen und danach in das gegnerische Tor, vorbei am gegnerischen Tormann, zu schießen. Das alles ohne die Zuhilfenahme der Arme4Es gibt auch ähnliche Spiele, die dies nicht verbieten, z.B. Gaelik Football, das vor allem in Irland mit Leidenschaft gespielt wird..
Das ist soweit nahezu „idiotensicher“ einfach.
Nun gut, jetzt muss allerdings Einfachheit noch nichts mit Dummheit zu tun haben, ganz im Gegenteil, häufig liegt gerade in der Einfachheit die Weisheit begraben.
Also zurück zu den Fähigkeiten der SpielerInnen, die erfolgreich sind. Um das Spiel zu begreifen und grundsätzlich mitspielen zu können, benötigt es wenig materieller5Einen Ball, zweit Tore, ein Spielfeld und je 11 SpielerInnen, was bei Hobbyspielen jedoch auch nicht unbedingt notwendig ist. Selbst ein Konstellation, bei der eine SpielerIn gegen eine andere SpielerIn auf ein Tor spielen, kann schon befriedigend sein. als auch geistiger Ressourcen. Das sie soweit festgehalten.
Allerdings um das Spiel zu einer persönlichen und kollektiven Meisterschaft zu bringen, ist einiges mehr notwendig. Eine Fußballmannschaft besteht aus 11 Spielerninnen oder Spielern6Mir sind soweit noch keine gemischten Mannschaften bekannt., die miteinander zusammenspielen können, als sie sich den Ball zuspielen (zupassen) können. Dafür ist es notwendig, dass die SpielerInnen miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation wird unterbrochen durch zumindest maximal 11 gegnerische Spielerinnen oder Spielern und 3 SchiedsrichterInnen, die darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden.
JedEr SpielerIn hat üblicherweise eine bestimmte Rolle (z.B. rechts im Mittelfeld, in der Mitte im Sturm). Daraus ergibt sich ein typisches Struktur-Prozess-Muster. Die Rollen der Spieler, dies wird im Fußball mit „Aufstellung“ bezeichnet7Die Bezeichnung „Aufstellung“, die seit langem im Fußball gebräuchlich ist, ist heute für Organisationen (Unternehmen, etc.) auch gebräuchlich geworden., stellt die Struktur dar und die Kombination aus Laufbewegung der einzelnen SpielerInnen und der Flussbewegung des Balles von SpielerIn zu SpielerIn den (Produktions-)Prozess. Besonders spannend ist dies in diesem Kontext, als zwei dynamische Systeme – Mannschaft A gegen Mannschaft B – unter strukturierten Regelbedingungen und unter knappen Ressourcen (z.B. begrenztes Spielfeld, begrenzte Anzahl von SpielerInnen) aufeinander treffen.
Insofern spielen Kommunikationsfähigkeit, Assoziation des gegnerischen Verhaltens bzw. die Kenntnis über gegnerische Stärken und Schwäche in der Einschätzung verschiedener Spielsituationen eine große Rolle. Alles Fragestellungen, die unzähligen WissenschafterInnen, vorallem KommunikationstheoretikerInnen und Ökonomen, weltweit großes Kopfzerbrechen machen.
Nur einE SpielerIn, die die s.g. Übersicht behalten kann, wird intelligente Spielzüge aufbauen und einleiten können. Die Durchführung des jeweiligen Spielzuges hängt in der Folge von der Kompetenz der jeweiligen SpielerInnen (Fähigkeit, einen Ball zu stoppen, weiterzuleiten, zu passen, einEn gegnerischEn SpielerIn auszuspielen, Schnelligkeit, Kondition, etc.) ab. JedEr SpielerIn ist quasi ein Virtuose.
Allerdings wird die Mannschaft nur als Kollektiv gewinnen können, da es sich um ein dynamisches System mit einer Vielzahl von Einzelelementen handelt, bei dem Struktur und Prozess interdependent miteinander verbunden sind, sich einander bedingen.
Um eine Fußball-Mannschaft somit zur best möglichen Ressourcen-Allokation zu bringen, hat es sich bewährt, noch zumindest eine außenstehende Person hinzuzuziehen, die vor allem die generelle Struktur (Wer spielt Wo) festlegt und auch versucht, bestimmte Prozesse (Spielzüge) einzutrainieren. Diese Person wir im Fußball TrainerIn genannt. Ein Prinzip, dass sich heute, überraschend spät, auch Organisationen zu eigenen gemacht haben, als Sie mit BeraterInnen (OrganisationsberaterInnen, ProzessberaterInnen, StrategieberaterInnen, etc.) arbeiten.
Somit kann festgehalten werden, dass einE Fußball-SpielerIn trotz ihrer mehr oder weniger stark ausgeprägten Beschränkung auf eine bestimmte Aufgabe (Position) auf dem Spielfeld laufend durchaus mehrdimensionale und sich rasch ändernde Situationsbewertungen, teilweise in Sekundenbruchteile, vornehmen muss. Also keine Spur von Idiotie.
Es kann auch festgehalten werden, dass das Fußball-Spiel längst Prinzipien, wie die der außenstehenden Person, zur Anwendung gebracht hat, wo dies in (Wirtschafts-)Organisationen z.B. aufgrund der entmündigenden Weber’schen Bürokratie-Modelle vollkommen undenkbar erschienen ist.
Viele Organisationstheoretiker habe viel Geld mit der „Idee externer BeraterInnen“ verdient. Es hätte sich dieses Prinzip auch einfach vom Fußball ab-schauen lassen können. Also auch hier keine Spur von Idiotie.
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