(c) Karl Baumann 2018: Spinne im Netz, Innsbruck im Oktober, Sony NX20

Im Kontext von Covid-19 kommen nunmehr vermehrt Proteste auf und es scheint zunehmend schwieriger, eine zentrale Steuerung der Maßnahmen durchsetzen zu können. Dabei verwundern zwei Themen:

  • Solidarität:
    Es wird beklagt, dass die Solidarität in der Gesellschaft abnimmt. Klar ist, dass in einem solchen Extremfall, wie derzeit bei einer globalen Pandemie, nicht weiter alle Regeln überwacht und bestraft werden können.1Die Politik des „Überwachen und Strafen“ ist ihrerseits grundsätzlich widersprüchlich einer liberalen Politik, doch das wäre ein weiteres Thema. Dass die vielleicht mehr oder auch weniger klugen Vorgaben aus der Politik befolgt werden, bedingt ein gewisses Maß an Solidarität. Nun ist Solidarität das genaue Gegenteil von Wettbewerb. Durch die Liberalisierung von Märkten und die Kommerzialisierung von öffentlichen Gütern (z.B. Gesundheit) wurde in den letzten Jahrzehnten der Wettbewerb stetig weiter ausgebaut (z.B. Stichwort Globalisierung) und dies geht auf „Kosten“ der Solidarität in einer Gesellschaft. Wer sich nunmehr also darüber wundert, dass es keine Solidarität weiter in der Gesellschaft gibt, der findet die Ursache schnell im Wettbewerb. Wettbewerb trainiert die Menschen dahingehend, sich selber einen Vorteil zu verschaffen, ganz egal, was dies für den anderen bedeutet (survival of the fittest). Wettbewerb fördert Egoismen (homo oeconomicus), eine jede andere Vorstellung von Wettbewerb, so fair auch immer, ist (sozial- und gesellschaftspolitisch) naiv.
  • Nationalismus:
    Um die Ursachen der Pandemie zu beheben, wird im Moment zunehmen der Rückzug zum Nationalstaat oder zumindest der Rückzug zu einer autonomen Region (z.B. Europäische Union) proklamiert. Auch dies ist – auf einer anderen Ebene – ein grundsätzlich unsolidarisches Verhalten, dass sich für mich keinesfalls schlüssig argumentieren lässt. Eine globale Pandemie müsste aus meiner Sicht zu einer globalen Solidarität führen und zu möglichst global koordinierten Maßnahmen, die dann eine möglichst effiziente Behebung der Pandemie ermöglichen.2Dabei will ich gar nicht weiter darauf eingehen, dass global koordinierte Maßnahmen sehr wahrscheinlich die Ausdehnung der Pandemie bereits präventiv deutlich besser eingedämmt hätten. Der globale Wettbewerb zwischen den Staaten (invisible hand of the market) bringt es mit sich, dass sich Staaten jetzt abschotten und jeder Staat für sich Maßnahmen gegen die Pandemie entwickelt. Dies ist mit enormen Einschränkungen für die individuelle Freiheit (z.B. Reisen) und Ökonomie (z.B. Handel) verbunden und führt zu einer weiteren Ent-Solidarisierung von Gesellschaft.

All das zeigt aus meiner Sicht, dass gerade zu den Feierlichkeiten rund um das 75. jährige Bestehen der Vereinten Nationen (UNO) weiter intensiv darüber nachgedacht werden muss, wie die zwischenzeitlich intensiv global vernetzten Produktionsprozesse und Absatzmärkte (globale Wirtschaft) auch eine entsprechend schlagfertige „globale politische Organisation“ zur Seite gestellt bekommt, die sich nicht im Wettbewerb zerkriegt, sonder die Solidarität zwischen den Menschen und somit auch zwischen den Nationalstaaten fördert und hochhalten und so zu kollaborativen Maßnahmen führt, die im Idealfall dann auch noch möglichst basisdemokratisch legitimiert sind. Das mag nach Utopie klingen, doch die Realität von Covid-19 zeigt die tatsächliche Notwendigkeit.

Denn, Covid-19 zeigt vor allem eines: Wir leben alle auf ein und denselben Planeten „Erde“ und auch wenn es Versuche gibt, dies zu ändern (z.B. Besiedelung des Mars), so (1) wird sich daran nicht so schnell etwas ändern und (2) wäre es eine ohnehin wenig überzeugende Überlebensstrategie, sich auf einen anderen Planeten absetzen zu wollen. Es wäre die letzte Ironie von freier Marktwirtschaft und globalem Wettbewerb.