H. Arendt (2001, S. 213 f.) erinnert sich in ihrer Abhandlung über die Enthüllung der Person im Handeln und Sprechen, dass „Besonderheit oder Andersheit, diese merkwürdige Eigenschaft der >alteritas<, die allem Seienden als solchem eignet und die daher von der mittelalterlichen Philo-sophie zu den Universalien gezählt wurde“, der Grund dafür ist, „daß wir nur definieren können, indem wir unterscheiden, daß jede Bestimmung eine Negation, ein Anders-als mitaussagt;“.
Zunächst bietet es sich an, die Bezeichnung ´Nonprofit´ näher zu diskutieren. Dabei fällt zu allererst auf, dass die Abgrenzung durch eine Vernei-nung passiert, es ist ein negativer Begriff, der von der Betriebswirtschafts-lehre (Führungs- oder Management-Lehre) geprägt wurde. (vgl. Schwarz et al. 2002, S. 20; Jarmai/Zauner 1997, S. 235) Er bezeichnet das, was es nicht ist. Somit wird unter der Verwendung einer negativen Dialektik ein „nicht Raum“ abgegrenzt, der sich von dem anderen Raum genau dadurch unterscheidet, dass er anders ist als der andere – dass also eine Trennung zwischen den Räumen vorhanden ist. Nach der Logik von Spencer-Brown ergibt sich der Typ von Unterscheidung, den ein Kreis in einem ebenen Raum darstellt. (vgl. Spencer-Brown 1999, S. 1, 1994, S. 1)
Abbildung 1: Ein Kreis in einem ebenen Raum (Spencer-Brown 1999, S. 60)
Durch die Be-zeichnung von ´Profit´ ist ´Nonprofit´ auch be-zeichnet.
„Once a distinction is drawn, the spaces, states, or contents on each side of the boundary, being distinct, can be indicated.“ (Spencer-Brown 1994, S. 1)
Somit kann gesagt werden, dass die Bezeichnung Nonprofit nichts Neues gegenüber dem sagt, was Profit nicht auch schon unterschieden hätte. Es ist in dem Sinne redundant, dass keine neue Unterscheidung getroffen wird. Der explizite Bezug der Beobachtung (vgl. Spencer-Brown 1999, S. 60), der durch die Unterscheidung immer schon möglich war oder gewesen wäre, verändert sich von einer Seite auf die andere. Es tritt ein Perspektivenwechsel ein, der implizit vorhanden war, für die/den betriebswirtschaftlichEn BeobachterIn jedoch nicht sichtbar wurde, da sich dieser immer nur innerhalb (od. außerhalb) des Kreises (Profit) aufgehalten hat. Somit kann gesagt werden, dass die Bezeichnung ´Nonprofit´ eine redundante Unterscheidung trifft, jedoch einen radikalen Perspektivenwechsel beinhaltet. Dieser ermöglicht es, all jene Organisationen, die nicht profit-orientiert sind (Nonprofit), auch einer Behandlung aus der Perspektive der Betriebswirtschaftslehre zu unterziehen.
Daraus ergibt sich auch die Frage nach dem Motiv der Unterscheidung (vgl. Spencer-Brown 1999, S. 1) und dem Wert der Unterscheidung (vgl. ebd.).
Als Motiv der Unterscheidung kann das Ziel der Profitmaximierung herangezogen werden. Die Betriebswirtschaftslehre befasst sich traditionellerweise mit Unternehmen und Unternehmen werden traditionell als gewinnmaximierend verstanden.
„Oberstes Ziel unternehmerischer Tätigkeit ist die Erwirtschaftung von Überschuss: Die Produktion wird nach Art und Menge so festgelegt, daß entweder ein möglichst großer Gewinn oder eine möglichst große Rentabilität erreicht wird.“ (Schmalen 1996, S. 46)
Somit musste über den Umweg des Verständnisses von Unternehmen als Organisation (Überbegriff) der Perspektivenwechsel hin zu Nonprofit-Organisationen möglich gemacht werden. (Ob jene Unternehmen, die keine Gewinne oder keine positive Rentabilität – aus welchen Gründen auch immer – erwirtschaften, Profit oder Nonprofit-Organisationen sind, bleibt ohnehin fraglich.)
Aus der dargelegten Dialektik des Begriffes wird sichtbar, dass die Beschränkung der Betriebswirtschaftslehre durch das Paradigma der Gewinn- oder Rentabilitätsmaximierung, auch bezogen auf die Betrachtungen aller anderen ´funktionalen Bereiche´, unbegründet ist. Die Fragen der Organisation, der Finanzen, des Entscheidens, der Personalführung, des Marketings, der Planung, der Steuerung, des Lernens, etc. sind keine auf Unternehmen beschränkte Fragen, sondern betreffen auch alle weiteren Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft.
Diese Ausdehnung impliziert den Irrtum, dass mit der Ausdehnung der Beobachtungsfelder1nach moderner Wissenschaftstheorie: Forschungsobjekte, die sich aus ganz unterschiedlichen Wurzeln und Motiven entwickelt haben (z.B. die Idee der Arbeitsteilung – Organisation – lässt sich schon in sehr frühen Gesellschaften zeigen), auch das Wirtschaftlichkeitsprinzip2Minimumprinzip: ein bestimmter Output wird mit geringstmöglichem Input erzielt; Maximumprinzip: mit einem gegebenen Input wird ein maximaler Output erzielt. (vgl. Schmalen 1996, S. 45) unreflektiert übernommen wird. Die Form der Unterscheidung lässt soweit keinen Zwischenraum zu. Nonprofit als Raum außerhalb (od. innerhalb) der Unterscheidung umfasst soweit alles außer Profit3n soll für ´Nonprofit` und ´Nongovernmental` stehen, g für ´Governmental` und p für ´Profit`. (Abbildung 2)
Abbildung 2: Möglichkeitsräume für Nonprofit (n) und Profit (p)
Wird die Dialektik in den Begriffen weiter betrachtet, dann findet sich eine weitere Unterscheidung. Der volkswirtschaftliche und politikwissenschaftliche Ansatz bezeichnet den Nonprofit-Bereich als Dritten Sektor (third sector), der sich «zwischen» dem Staat einerseits und den erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen andererseits befindet. Dieser Bereich lässt sich wiederum negativ abgrenzen und wird als Nongovernmental bezeichnet und die entsprechenden Organisationen als Nongovernmental-Organisationen. (vgl. Schwarz et al. 2002, S. 20; Jarmai/Zauner 1997, S. 235) Die Form der Unterscheidung ist (wiederum) ein Kreis. Wird die Ab-Grenzung nur „gegenüber dem Staat“ (Schwarz et al. 2002, S. 20) verstanden, dann ergeben sich die in Abbildung 3 dargestellten Möglichkeitsräume.
Abbildung 3: Möglichkeitsräume für Nongovernmental (n) und Governmental (g)
Wird die Abgrenzung jedoch tatsächlich als «zwischen» dem Staat einerseits und den erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen andererseits verstanden, dann ergeben sich die in Abbildung 4 dargestellten Möglichkeitsräume.
Abbildung 4: Möglichkeitsräume für «zwischen» Governmental (g) und Profit (p)
Die Ab-Grenzung ermöglicht somit das Bilden eines Zwischenraums, der umgeben wird von Profit- und Governmental-Organisationen. Für den Zwischenraum gilt somit, dass er zum einen Nonprofit wie auch Nongovernmental ist. Dadurch ist zum einen erreicht, dass der Zwischenraum mit zweierlei Bezeichnungen ausgestattet ist. Die philosophisch-ideologische Frage, die sich anschließen lässt, ist, was davon liegt außen und was liegt innen. Was davon ist beschränkt und beschränkbar und was davon ist unbeschränkt und unbeschränkt ausbaubar oder was davon ist ursprünglich. Dabei lässt sich zeigen (vgl. Abbildung 5), dass aus den Grundbedingungen jede Möglichkeit ableitbar wäre.
Abbildung 5: Non-Profit, Profit und Governmental – Möglichkeitsraum des Ver-ständnisses der Unterscheidung4Eine weitere Unterscheidung zwischen Nonprofit und Nongovernmental ergibt weitere Möglichkeitsräume (44), verändert aber nichts Prinzipielles an der Aussage. Deshalb wird davon abgesehen.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass keine implizite Betrachtung (vgl. Spencer-Brown 1999, S. 60) möglich ist. Daraus lässt sich folgern, dass die getroffenen Unterscheidungen auch keinen expliziten Wert besitzen.
Ein einfaches Beispiel dafür ist, dass es nicht ausgeschlossen ist, „dass NPO auch – wenn es die Verhältnisse ermöglichen – einen Gewinn erzielen könne.“ (Schwarz et al. 2002, S. 22)
Ideologisch ließe sich noch die Diskussion anknüpfen, was jetzt ´außen´ steht, sofern dieses dann als Grundcharakteristikum verstanden werden kann, von dem ursprünglich unterschieden wird. Die Frage wäre, was die ´Mutter´ aller Organisationen – profit, nonprofit, governmental oder nongovernmental – ist?
So hat die Betrachtung jener Organisationen, die sich durch das System der Kameralistik auszeichnen, so sie nach den Referenzgrößen der neoklassischen Wirtschaftswissenschaften gedacht werden, die Konsequenz, dass ihnen nur Kosten zugeschrieben werden. (vgl. Zellenberg 2001, S. 688) Es kann kein ´Return on Investment (ROI)` oder ähnliches trivial festgestellt werden. Aus dieser Überlegung ergibt sich auch die Schwierigkeit, Staatsaufgaben abzugrenzen, wie dies eine effizienz- und allokationstheoretische Betrachtung fordern würde. Aus der ökonomischen Perspektive scheint der Staat in einzelnen Bereichen gefordert zu sein. „Das ist überall dort der Fall, wo entweder aufgrund des Missverhältnisses zwischen den Kosten der Erstellung eines öffentlichen Gutes und dem dabei erzielbaren individuellen Nutzen oder der Unmöglichkeit des Ausschlusses von Trittbrettfahrern – also von Personen, die unentgeltlich konsumieren – die Herstellung eines Gutes am Markt unterbleibt.“ (ebd.)
Dieser Versuch einer Definition, basierend auf Gedanken von Hayek und Smith, lässt noch vieles offen. Zellenberg (2001) zeigt, dass zum einen die gezeichnete Grenze zwischen privatem und öffentlichem Bereich wesentlich stärker verschleiert ist, als die vermeintlich eindeutige Definition vermuten lässt und insistiert weiter, dass die ökonomische Trennung nur eine mögliche Perspektive liefert für die Aufarbeitung der gestellten Frage: Gibt es staatliche Kernaufgaben? So machen Beispiele klar, dass „es sich bei der ökonomischen Weise der Weltbetrachtung nur um eine mögliche Art des Zuganges zur Wirklichkeit unter vielen handelt.“ (ebd., S. 288)
Aus dieser Darstellung soll klar werden, warum die Abhandlungen über Nonprofit Organisationen aus dialektischen Gründen wieder in dieselben Diskussionen, Themen, etc. münden, wie sie im Zusammenhang mit Profit-Organisationen behandelt werden. Die von Schwarz et al. (2002, S. 21) argumentierte und dargestellte ´Vielfalt der Organisationen´ ergibt sich nicht erst durch die Trennung zwischen Profit und Nonprofit-Organisationen. Die aus der modernen Betrachtung notwendig gewordene Ein-Teilung produziert eine Ordnung, die eben keine erkennbare Unterscheidung zeichnet. Es wird dadurch (noch) keine Differenz sichtbar (und schon gar keine différance). Sie begründet weiters keine prinzipiellen Unterschiede zwischen Nonprofit und Profit-Organisationen in den funktionalen Fragen der Betriebswirtschaft. (vgl. Jarmai/Zauner 1997, S. 235) Aus dieser dialektischen Betrachtung lässt sich auch eine Erklärung dafür ableiten, warum die Abhandlungen über Nonprofit-Organisationen im Wesentlichen den allgemeinen Management-Darstellungen gleichen. (vgl. Schwarz et al. 2002, Schwarz 2001, Eschenbach 1998, Johnson/Scholes 2002; Kaplan/Norton 2001, Kap. 5; Lakes 1999)
Referenzen
- Arendt, H. (2001): Vita activa oder Vom tätigen Leben, 12. Auflage, München et al.
- Eschenbach, R. (Hrsg.) (1998): Führungsinstrumente für die Nonprofit Organisation. Bewährte Verfahren im praktischen Einsatz, Stuttgart
- Jarmai, H./ Zauner, A. (1997): NPO-Management – Perspektiven für ein eigenständiges Verständnis der Architektur und Führung, in: Managerie 4. Jhb., Heidelberg, S. 235-251
- Johnson, G./ Scholes, K. (2002): Exploring Corporate Strategy – Text and Cases, sixth edition, London
- Kaplan, R. S./ Norton, D. P. (2001): Die Strategiefokussierte Organisation – Führen mit der Balanced Scorecard, Stuttgart
- Schmalen, H. (1996): Grundlagen und Probleme der Betriebswirtschaft, 10. Auflage, Köln
- Schwarz, P. (2001): Management-Brevier für Nonprofit-Organisationen, Bern et al.
- Schwarz, P./ Purtschert, R./ Giroud, Ch./ Schauer, R. (2002): Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen, 4. Auflage, Bern et al.
- Spencer-Brown, G. (1994): Laws of Form, limited edition, Ashland (Ohio)
- Spencer-Brown, G. (1999): Gesetze der Form, 2. Auflage, Lübeck