(c) 2008 Karl Baumann: Verschwommen, Photographie mit NIKON SQ, Dürnstein im April

Die Schmerzen sind unbeschreiblich, das sensibelste – das „Herz“ – zerbrochen, die besten KünstlerInnen und Literaten haben sich an Ihr abgearbeitet. Eine Verliebtheit, die ganz große Liebe oder auch ein Lebenstraum zerbricht und die Sinnhaftigkeit des Daseins verschwindet in der Dämmerung der Notwendigkeiten. Romeo und Julia sterben. Das Leben wird sinnlos und nicht selten endet das im Selbstmord. Schock, Trauer und Verzweiflung sind die erste Reaktion und dann kommt die Wut. Aus ihr kann aggressives Verhalten, heftige Konflikte und selbst Kriege sind schon daraus entstanden.

„Möglicherweise ist Wut in Reaktion auf verletzte Gefühle also Konsequenz daraus, dass sich das Bindungssystem im Lauf der Evolution huckepack auf dem Schmerzsystem entwickelt hat. Je tiefer und schwerer die Verletzung, desto stärker die Reaktionen. Es leuchtet ein: Wir werden wütend auf die Person, die uns wehgetan hat – auch wenn wir sie eigentlich lieben.“

Julia Fischer: Die Medizin der Gefühle: Gebrochene Herzen, Freudentränen, Gänsehaut!, Knauer Verlag 2020

Die bedingungslose Liebe aus einem sozial-konstruktivistischem Selbstverständnis lässt keine Wut zu. Die Wut entsteht aus einem Gefühl der Ungerechtigkeit und klassisch-psychohygienisch gesprochen „tut Wut gut“. Offenheit und Toleranz stehen im Widerspruch, die bedingungslose Liebe kann sie nicht verstehen und auch nicht empfinden, die Wut. Wer bedingungslos liebt und enttäuscht wird, wird unsägliche Schmerzen erleben, doch die Wut bleibt aus.

Die Freiheit überdeckt das Begehren, die Liebe bleibt selbstlos. Wut kann keine aufkommen, es bleibt bei der Trauer und der Liebe zu der Person, die einem das Herz gebrochen hat (Tako-Tsubo). Schmerzen, die so stark sind1Die Mortalitätsquote von „Gebrochenes-Herz-Syndrom“, „Tako-Tsubo-Kardiomyopathie“ oder „Tako-Tsubo-Syndrom“ liegt je nach Quelle bei bemerkenswerten 2 bis 5%., dass alle Tränen vergossen und Suizid eine echte Option wird und doch kann keine Wut aufkommen. Die Aufopferung wäre der erste spontane Gedanke in diesem Kontext, eine Art masochistischer Akt der Selbstbestrafung als Kompensation zum Schmerz. Doch das ist es nicht. Es ist vielmehr der Wunsch, das Vertrauen und die Hoffnung in das Glück der/s anderen aus der Liebe heraus. Es ist kein Besitzen, kein Teilen und auch kein „Haben-Wollen“, es ist einzig der Gedanke, der bleibt.

Ist alles versucht, die Liebe, Zufriedenheit, Seligkeit und das Glück gemeinsam zu finden und doch, es scheint nicht möglich, so bleibt die Freude über neue Möglichkeiten. „Ich lasse Dich gehen“ macht in diesem Kontext keinen Sinn, denn die andere Person war da, bedingungslos und selbstlos. Es stand und steht ihr frei zu gehen, wann immer sie will. Die unreife Liebe „Ich liebe Dich, weil Du mich liebst“ ist überdauert, hat hier keine Relevanz. Das Eingeständnis der Abhängigkeit aufgrund der Liebe bewusst ausgelebt und doch, die Wut bedingt einen „Fehler“, eine „Abweichung“ und die kann es in der bedingungslosen Liebe nicht geben.

Die bedingungslose Liebe ist ein Gefühl tiefster Verbindung. Dieses Gefühl bedingt kein konkretes Verhalten, keine Treue oder bestimmte Nähe. Das Gefühl entsteht und vergeht. Es ist Gefühl, nichts als Gefühl, dem jeder Gedanke, jede Ratio zuwiderläuft. Dieses Gefühl ist die Basis für entfesselte Leidenschaft, eine Bindung des Herzens, die unmittelbar mit der Toleranz und dem Vergeben verknüpft ist.

Wut hat hier keine Begründung, Wut wäre das gegenteilige Gefühl, das sich aus der Liebe umkehrt. Der Schmerz ist verschuldet, wie sehr auch immer, denn der Schmerz bleibt. Somit wird die bedingungslose Liebe zur Existenz in seiner eigentlichen Essenz, der puren Emotion von Glück wie auch Schmerz. All das bleibt bei sich, bleibt in der bedingungslos liebenden Person. Die andere, die das Gefühl nicht kennt, nicht zulassen kann oder auch einfach nicht empfunden hat, hat keinen Anteil, sie ist „unschuldig“ für die Gefühle, die sie auslöst und somit auch für den möglichen Schmerz.

Wir wünschen und wollen und deshalb handeln wir. In der bedindungslosen Liebe versuchen wir das soweit als möglich nicht zu tun. Hier fühlen wir ausschließlich. Das Fühlen, es bleibt und es muss unabhängig sein von den Umständen, ob die Liebe in eine Partnerschaft mündet oder nicht.

Die Gleichgültigkeit, das Gegenteil von Liebe hat nichts damit zu tun. Wer gleichgültig ist, wird keine Eifersucht und auch keinen (Trennungs-)Schmerz verspüren. Die Eifersucht ist ganz wesentlich für die bedingungslose Liebe. Der Umgang mit Ihr das zentrale Element. Gleichgültigkeit ist Rationalität, ist Verstand und Vernunft. Bedingungslose Liebe ist Emotion und Leidenschaft, wo die Eifersucht unvermeidlich Bestandteil sein muss.

Das „reden, reden, reden“ ist das Mittel gegen die Eifersucht, die Transparenz schafft das Vertrauen und dieses Vertrauen lässt die Liebe entstehen. Im schönsten Fall eine bedingungslos gegenseitige und die kennt keine Wut, in welchem Stadium einer Beziehung auch immer.

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Respekt und bedingungslose Liebe passen nicht zusammen