(c) Karl Baumann 2020: Leere, Axamer Lizum im Juli, iPhone 7

Macht ist ein komplexes Konstrukt, denn es bedingt Kommunikation innerhalb sozialer Systeme und doch ist das grundsätzliche Wesen der Macht in zwischenmenschlichen Beziehungen wohl recht klar und eindeutig. Die meiste Macht hat immer diejenige/derjenige, die/der nichts will und nichts braucht von der/dem anderen. So paradox es vielleicht klingen mag, doch die Person, die am wenigsten will und braucht, hat die meiste Macht.

Wer haben will, ist ausbeutbar, wer haben will, ist käuflich, wer haben muss, muss sich prostituieren. Die Wege zum „nichts brauchen“ sind freilich vielfältig, entweder hat jemand schon alles oder jemand braucht einfach nichts. Das ändert nichts am Zustand der Macht, an der Überlegenheit gegenüber der anderen/dem anderen oder auch ganz generell den anderen.

Wer mehr will, als sie/er kann, wird mit großer Wahrscheinlichkeit ungesund durch den ständigen Stress, besser sein zu müssen, wie sie/er tatsächlich ist. Die Gier lässt uns somit machtlos und abhängig werden, die Eifersucht treibt uns in den machtlosen Wahnsinn und der Neid ergibt die Einsamkeit. Diese s.g. mimetischen Kräfte – Gier, Neid, Eifersucht – sind unbarmherzig. Sie machen einen Menschen machtlos gegenüber Abhängigkeiten und anfällig für die dunklen Seiten des sozialen Lebens, wie Betrug, Lüge, Ausbeutung, Egozentrik, Abwertung zum Wohle der eigenen Gier, dem Neid, der Eifersucht.

Die Macht bleibt bei der/dem, der nichts „haben“ will. Geduld, Disziplin und Konzentration auf das Wesentlich sind genau deshalb so mächte Tugenden, denn Sie ent-machten. Genau deshalb ist die Liebe das Mächtigste zwischen zwei Menschen, so sie gibt, ohne zu wollen.

So hat das hilflose Baby alle Macht über uns, paradoxer Weise. Die Macht ergibt sich aus der bedingungslosen Liebe zum Baby. Es steht im kompromisslosen Mittelpunkt, obwohl es noch gar kein Bewusstsein entwickelt hat, um tatsächlich zu „wollen“.

Ein Mensch, der sich auf das wesentliche reduziert, der in Isolation als Einsiedler lebt, der die materiellen Versuchungen des Konsums überwunden hat, hat ganz viel Macht. Er hat sich unabhängig gemacht, seine Ansprüche auf ein Minimum reduziert und somit sind die Bedürfnisse einfach zu befriedigen, Glück und Zufriedenheit sind die kleinen Schwestern der Bescheidenheit und die Bescheidenheit macht einen Menschen mächtig.

Immer diejenige/derjenige, die/der in einer Partnerschaft oder Beziehung weniger will oder weniger braucht, definiert oder dominiert eine Beziehung und ist somit die mächtigere Person in einer Partnerschaft.

Mehrmals lesen kann helfen, um es zu verstehen, worauf auch Paul Watzlawick öfter mal hinweist.

Literatur

  • Kuntze, Holger: Lieben heißt wollen: Wie Beziehung gelingen kann, wenn wir Freiheit ganz neu denken (German Edition). Kösel-Verlag. Kindle Edition.
  • Erich Fromm: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neue Gesellschaft, erstmalig erschienen 1976.
  • Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein, verschiedene Ausgaben.