(c) 2021 Karl Baumann: Der Durchblick, MPREIS Wasserstoffproduktion in Völs mit iPhone 7

Bereits 2011 hatte ich einen Artikel in der NZZ gelesen, der mich sehr interessiert hat. Er hat klar darauf hingewiesen, dass die Pharmaunternehmen zu wenig in die (Grundlagen)Forschung gegen teilweise durchaus bekannte gefährliche Viren investieren.

Auf Basis von Sars-Cov-1 gab es Szenarien dahingehend, dass ein Sars-Virus von China auf die gesamte Welt überspringen könnte.

Warum ist es dennoch 2020 dazu gekommen, dass (1) sich Sars-Cov-2 global ausbreiten konnte und (2) wir weltweit nahezu vollkommen unvorbereitet (keine Impfstoffe vorhanden, etc.) waren?

Die Antwort ist zum einen, dass wir keine der wirschaftlichen Globalisierung und sozialen Vernetzung entsprechenden globalen politischen Institutionen haben. Im konkreten Fall von Covid-19 häufen sich die Hinweise, dass durch ein entschlossenes, global koordiniertes Eingreifen die Ausbreitung in den ersten Woche von 2020 (wie bei Sars-Cov-1) sehr wahrscheinlich lokal eingedämmt hätte werden können.1(vgl. Michael Wech: Der Ausbruch – War die Pandemie vermeidbar?, Dokumentation 2022)

Im Januar 2020 schrillte jedes Alarmsignal, und am 20. Januar wusste man genug, um zu sagen: Das ist sie – die Pandemie, die wir vorausgesagt haben. Dies ist unser 1918.

Jeremy Farrar, Direktor des Wellcome Trust

Doch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) war leider strukturell zu schwach aufgestellt dafür. Dies ist eine strukturelle Kritik, keine inhaltiche. Ein global koordiniertes Eingreifen war nicht organisierbar. Es hätten Millionen von Menschenleben gerettet, Milliarden, wenn nicht sogar Billiarden von wirtschafltichen Schäden und die Nebenwirkungen zu den verschiedenen harten Maßnahmen (z.B. Lockdowns) wie Depressionen verhindert werden können. Eine Investition in eine solche globale öffentliche organisatorische Struktur wäre somit hochgradig rentabel.

Zum anderen haben keine Pharmaunternehmen in die Prävention investiert. Somit waren wir als Weltgesellschaft mit keinen entsprechenden Gegenmaßnahmen (z.B. Impfstoff) ausgestattet. Die Impfstoffe mussten vollkommen neu entwickelt werden und heute wissen wir, dass sogar eine bisher wenig akzeptierte Technologie, die mRNA-Technologie, zu den besten Resultaten geführt hat. Aus ökonomischer Sicht lässt sich dies über zwei Ansätze erklären:

  • Die Pharmaforschung ist weitgehend liberalisiert und somit entkoppelt vom öffentlichen Gemeinwohl.
  • Der Markt der Pharmaforschung war nicht effizient im Sinne des Gemeinwohls und hat ein enormes Marktversagen verursacht.

Eine auf (kurzfristigen) Gewinn ausgerichtete Organisation (Unternehmen) hat kein Interesse daran, in die Prävention von möglichen Pandemien zu investieren. Dazu ist die Eintrittswahrscheinlichkeit zu gering. Niemand konnte prognostizieren, ob und wann es zu einem neuerlichen Ausbruch eines Sars-Stammes kommen könnte. Somit ist jede Investition im Sinne einer Geschäftsentwicklung uninteressant, es lässt sich kein positiver „Business-Case“ rechnen und darstellen.

Zusätzlich ist es aus unternehmerischer Sicht so – das mag jetzt „hart“ klingen“, dass eine globale Pandemie deutlich mehr Geschäft, Umsatz und somit Gewinn möglich macht, als eine sofortige Eindämmung oder gar Prävention einer Pandemie.

Die Liberalisierung bzw. Privatisierung der Pharmaforschung zeigt somit nunmehr bemerkenswerte Externalität, also Nebenwirkungen. Die vermeintlichen Effizienzsteigerungen, die aus dieser Liberalisierung und Privatisierung erhofft wurden, sind aufgrund dessen nunmehr über Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte in Frage zu stellen.

Freilich kann nicht mit Sicherheit behauptet werden, dass Forschung im Sinne des Gemeinwohls einen Impfstoff gegen Sars-Cov-2 parat gehabt hätte. Doch eines ist deutlich geworden, dass Handel im Sinne des Gemeinwohls keine Folge von Markt und Wettbewerb ist. Die Interessen eines Unternehmes sind zunächst in der Regel nicht langfristig und auch nicht gemeinwohlorientiert. Das ist ganz „einfach“ eine Tatsache und immanent im Konzept von Mark, Wettbewerb und Liberaliserung enthalten. Etwas anderes anzunehmen wäre aus meiner Sicht sozial- und ökonomietheoretisch naiv. Dabei kann eine Liberalisierung und somit Privatisierung in entsprechend unsensiblen Kontexten großartig wirken. Hier die Grenze zu ziehen bleibt im politischen Ermessen und kann theoretisch nicht letztgültig geklärt werden. Vielmehr wäre ein offener, möglichst (basis)demokratischer Diskurs dahingehend wünschenswert.

Aus der Covid-19 Pandemie können wir aus meiner Sicht lernen, eine gemeinwohlorientierte Grundlagenforschung am besten global vernetzt und öffentlich, rechtlich zu organisieren. Es gab bei Covid-19 letztlich keinen „Wettbewerb“ zwischen Organisation, sondern es gab letztlich ein Rennen gegen die Zeit, um Menschenleben, etc. Dabei kann einzig Solidarität und die Bündelung aller möglichen Kräfte sinnvollen sein. Und Solidarität ist das Gegenteil von Wettbewerb.

Verwandte Beiträge: