(c) Petra Schleich 2013: Farrad, Innsbruck im Juni

Nach Bea/Haas (2001, S. 73) können Organisationen1Bea/Haas schreiben von Unternehmen. Diese Formulierung wird aus dem rein betriebswirtschaftlichen Zusammenhang durch die Verwendung des Begriffs „Organisation“ genommen. bei der Formulierung ihres Zielsystems zwei grundsätzlich verschiedene Positionen einnehmen. Sie können

  • die „Bedarfsdeckung in den Vordergrund rücken und sich gemeinwirtschaftlich verhalten“, diesem Fall werden die s.g. Non-Profit oder Not for Profit Organisations (NPOs) zugeordnet, oder aber
  • die „Gewinnerzielung bzw. Wertgenerierung (Shareholder Value) zur Leitlinie ihres Handelns machen“, wobei es sich um Profit Organisations (POs) i.d.F. handelt.

Damit machen sie deutlich, dass ihre Unter-scheidungsheuristik, also die Einteilung in NPO und PO, auf der Grundlage prinzipiell unterschiedlicher Zielsysteme und der den Zielen innewohnenden Intentionen besteht. So zeichnen sich Ziele von NPOs dadurch aus, dass eine Dominanz qualitativer Ziele und eine Unschärfe der Zielformulierung kennzeichnend ist2Friedrichsmeier (1985, S. 89ff.) kommt schon zu ähnlichen Darstellung in einer spezifischen Betrachtung der öffentlichen Verwaltung. So unterscheiden sich die Ziele in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungsbetrieben in ihrer Zielfestsetzung, Bewertung des Leistungsangebotes, Komplexität und Größe und durch institutionelle Unterschiede., wodurch sich schwerwiegende Konsequenzen für den strategischen Planungsprozess ergeben3„Die Problemidentifikation in Form einer Soll-Ist-Abweichung wird erschwert. Sind die Ziele verschwommen, können auch die Probleme nur vage wahrgenommen werden. Die Entwicklung von Lösungsalternativen hat unter dieser Unschärfe zu leiden. Sie erlaubt es den einzelnen Interessengruppen, ihre spezifischen Ziele «heimlich» zur Geltung zu bringen. Auch eine Bewertung der Alternativen wird insofern erschwert, als Entscheidungstechniken, die auf quantitativen Größen beruhen (z.B. Investitionsre-chenverfahren), kaum angewandt werden können. Schließlich wird die Implementie-rung der Planung dadurch beeinträchtigt, dass die einzelnen Teilpläne nur unzureichend koordiniert werden und Anreiz- und Sanktionsmechanismen auf Grund fehlender Erfolgsindikatoren nur schwer greifen können.“ (Bea/Haas 2001, S. 74). (vgl. ebd., S. 74) Diese Analyse fußt auf dem sich aus dem modernen Entscheidungsprozess abzuleitenden Wirkungszusammenhang, dass eine unscharfe Formulierung der Ziele folglich Schwierigkeiten bereitet bei der Suche nach Lösungsalternativen, Strategiebewertung und Implementierung. So kommen sie zu dem Urteil, „dass die strategische Planung4Wobei unklar bleibt, ob diese Problematik nur die Planung betreffen soll und die weiteren Bereiche des Managements davon nicht betroffen sind – ist ihr Buch doch mit „Strategisches Management“ überschrieben. bei NPOs ungleich größere Schwierigkeiten zu überwinden hat, als dies bei gewinn-orientierten Unternehmen der Fall ist“ (ebd.). Dieser Satz kann auch so interpretiert werden, dass ihre klassisch normative Konzeption des Strategischen Managements hinsichtlich Problematiken im Umgang mit Unschärfe, Qualitäten und Politik keine brauchbaren Antworten liefern kann. Er gibt auch Aufschluss über das implizit enthaltene Erfolgsrezept der Strategiekonzeption von Bea/Haas, das sich verkürzt als ein Plädoyer für den Ausschluss und die Minimierung jedweder Unschärfe darstellen lässt5Würde der Gedanke weiter gesponnen, dann wäre auch ein systematischer Ausschluss von qualitativen Zielen in der normativ rationalen Strategiekonzeption zu sehen. Schließlich produziert sich die Unschärfe in der Zielformulierung durch die Dominanz der qualitativen Ziele in derselben. Dennoch verweisen auch sie auf die Notwendigkeit von z.B. Potenzialen (Bea/Haas 2001, S. 109ff.), Zielportfolios (ebd., S. 155ff.), BSC (ebd., S. 190ff.) oder Unternehmenskultur (ebd., S. 447), die als qualitativ induzierte Themen verstanden werden können.. Dies wird soweit konsequent durchgehalten, als zum Problem der Bildung einer Zielhierarchie dahingehend argumentiert wird, dass jener Teil der Bildung strategischer Ziele nur Gegenstand der Planung sein kann, der mit operationalisierten Zielen hantiert. So steht in ihrer Sicht an der Spitze der Zielhierarchie zwar eine Vision, die eine „allgemeine und grundsätzlich gehaltene Vorstellung von der künftigen Rolle des Unternehmens“ darstellt, die Entwicklung derselben ist jedoch nicht Teil der strategischen Planung. So bedarf „die Entwicklung einer vagen Idee, das Entstehen einer Vision“, im Normalfall keiner Planung6Diese Darstellung, wie im Kap. 0 des Buches von Bea/Haas weiter gezeigt wird, deckt sich mit den meisten normativ-rationalen Strategiekonzeptionen. Sie alle können nicht erklären, wie es zu einer Vision kommt, sondern können nur deren Wichtigkeit darstellen und sie i.d.F. aus dem Betrachtungsfeld ausgrenzen. So stellt die Produktion und das Controlling einer Vision in derartigen Strategiekonzeptionen eine zentrale Rolle (Spitze der Zielhierarchie) und gleichzeitig einen bedeutenden blinden Fleck dar. (Paradoxon). (vgl. Bea/Haas 2001, S. 67)

Steinle/Bruch (1998, S. 285) sehen als „Ausgangspunkt der strategischen Zielplanung die Unternehmensphilosophie, -ethik und –kultur, die insgesamt in einem Leitbild und darauf bezogenen Grundkonzepten“ zusammengefasst werden7Auch die Relativierung der selbst getroffenen theoretischen Aussage in der Form, als eingestanden wird, dass in der Praxis häufig eine „dominierende Orientierunge allein am Portfolio“ zu finden ist, sagt nichts über prinzipielle Unterschiede aus. (vgl. Steinle/Bruch 1998, S. 285f.).

Natürlich wusste auch Heinen (1971) schon, dass die Unternehmensziele nur ein abstraktes Gebilde sind, das sich z.B. über s.g. Zielsysteme (Balanced Scorecard – BSC, etc.) formalisiert und niederschreibt. So decken sich die Ziele der 2. Ebene von Heinen – Unabhängigkeit, soziale Prinzipien, Prestige und Machtsteigerung, die sich in der 1. Ebene auf Einkommenserzielung des Individuums aggregieren – mit individuellen Zielen, wie sie von Maslow, Herzberg, Vroom etc. dargestellt werden. Zwar schränken Lechner et al. (1999, S. 82) immer noch insofern ein, als sie das von Heinen vorgeschlagene Zielsystem „in erster Linie für Eigentümerunternehmen“ geltend machen, vor allem Kirsch (1997; 1997a; 2001) zeigt weiters auf, dass die individuelle Dimension der Ziele im Verständnis einer Unternehmung als politische Organisation unumgänglich ist. Ein Ziel, wie ein Economic Value Added (EVA) oder Shareholder Value, läuft parallel zum Handeln. Es werden dadurch keine Inhalte in irgendeiner Weise entwickelt, bearbeitet, niedergeschrieben etc. Solche Ziele beantworten nur das „Was“, das erreicht werden soll, aber sagen nichts über das „Wie“ aus8Dies mag banal klingen, hat aber Folgewirkungen in dem Sinne, dass sich Planung im Verständnis von Budgetierung hin zu einer Szenarioplanung wandelt..

Bei der Formulierung von Zielen ergeben sich (zumindest) zweierlei Schwierigkeiten. Die Ziele sind zumeist zu abstrakt, als dass deren Interdependenz (Zielkonflikte), Systemzusammenhänge etc. erkannt werden können. Verwandelt man ein Ziel in ein klares Ziel9SMART gilt hier häufig als Heuristik und Leitfaden bei der Zielbeschreibung. (S=spezifisch (Was genau), M=messbar, A=akzeptiert und attraktiv, R=realistisch (erreichbar) und T=terminisiert), sind zwei Effekte die Folge: (1) Es entsteht ein Mehrfachproblem (vgl. Dörner 2002, S. 82) und (2) die Ziele verlieren ihre Wirkung als Sinnboote, Visionsträger, etc. Wird nur von Problemen ausgegangen10Wie dies der in der Unternehmensberatung häufig verwendete BALD-Prozess macht (B=Brennpunkt, A=Analyse, L=Lösung, D=Durchführung)., so kommt keine Gesamtstrategie zustande.

Dörner (2002, S. 74 ff.) beschreibt einsichtig, wie mit Zielen umgegangen werden kann. Die Möglichkeiten gehen in beide Richtungen, die Intention kann sein, ein Ziel wirkungsvoll zu beschreiben und zu verfolgen oder intendiert wirkungslos zu beschreiben. In der politischen Rede ist vor allem die zweite Strategie häufig anzutreffen11Dies kann auch aus Unkenntnis über eine entsprechende Formulierung von Zielen resultieren bzw. auch Folge eines vielfältigen Verhandlungsprozesses sein.. „Dadurch, dass man ein Problembündel mit einer begrifflichen Marke versieht, macht man sich den Umgang mit dem Problem leichter. Zumindest, wenn man es nicht lösen will!“ (Dörner 2002, S. 82) So lässt sich einfach über „Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit“ sprechen, die auch angeblich „dringend“ umzusetzen sind und somit „dringend“ gefordert werden, wenn nicht existentiell etwas dagegen getan werden muss. Es bleibt der Verweis auf den Begriff „Arbeitslosigkeit“ als Problemdefinition auf einer Abstraktionsebene stehen, die der Rednerin/dem Redner jeglichen politischen Spielraum für jedwede Aktionen weiterhin lassen. Durch das Aus-sprechen oder An-sprechen des Problems entsteht eine Abstraktion beim der/dem HörerIn, wie sie/er sich die „Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit“ vorstellt. So wird die politische Sprache auch in eine aktionsorientierte verwandelt, damit die Abstraktion zusätzlich mit Bewegung hinterlegt wird. Letztendlich gerät das Problem aus dem Blickfeld von Sprecher und Hörer. (vgl. ebd.)

Ortmann (1976) weist auf die Dimension der Unternehmungsziele als Ideologie hin und die von Kirsch (2001, S. 489ff.) aufgeworfene Frage hinsichtlich „Unternehmenspolitik ohne Ziele der Unternehmung?“ öffnet die Diskussion aus der rationaldogmatischen Umklammerung. Kirsch sieht in seinem formulierten Ausblick der Zielforschung12Der auch als politischer Ausblick von Kirsch verstanden werden kann, in dem Sinne, dass es darüber etwas sagt, wie Kirsch die Zielforschung gerne haben möchte. Darüber hinaus leidet der Ausblick unter dem „self fulfilling prophecy“ Phänomen. eine Entwicklung derselben hin zur Theorie der strategischen Führung bzw. zur Philosophie des strategischen Managements.

Im Gegensatz zu den Versuchen, die unter dem Begriff der „Corporate Governance“ diskutiert werden, hat der Zugang von Kirsch den Vorteil, dass sich die Wissenschaft ihren wissenschaftlichen Methoden eher zu-wendet und über Ziele nachdenkt und der immer enthaltene politische Akt des wissenschaftlichen Arbeitens als unausweichlicher Nebeneffekt auch mit-problematisiert wird13Die „Corporate Governance“ Initiativen, v.a. mit den formulierten Corporate Governance Codes, nehmen direkt Einfluss auf Gestaltungsfragen der Führung, Strategie, Entscheidungsbefugnisse und –prozesse etc. in Unternehmen von außen. Macht hier die Wissenschaft mit, so produziert die Wissenschaft Praxis und somit Handeln, was dann wieder Forschungsgegenstand wird. In diesem Moment wird Wissenschaft zur „Machtschaft“..

Jullien (1999, S. 63) beschreibt bei der Frage nach Zielen zwei konkurrierende Logiken, woraus sich zwei Arten von Wirksamkeiten ergeben: „Neben der Beziehung von Mittel zum Zweck, die uns am geläufigsten ist, gibt es die Beziehung von Bedingung und Konsequenz – die von den Chinesen bevorzugt wird.“ Dadurch wird die Logik einer Modellbildung aufgegeben und somit auch die Schaffung von Zielen, auf der die Modellbildung wiederum basiert. Es erfolgt der Übergang zu einer prozesshaften Logik14prozesshafte Logik: vgl. die Bedeutung von zei, „es ergibt sich“, in der Artikulation der Rede (Jullien 1999, S. 63). Dabei ist das Kausalsystem komplex und offen für unendliche Kombinationen (dies deckt sich im Wesentlichen mit der Beschreibung offener Systemen bei Luhmann (2002, S. 41ff.)); „andererseits ist der Prozess geschlossen und das Ergebnis ist in seinem Ablauf enthalten“15Dies deckt sich mit der Denke in Archetyps. (vgl. Senge 1994, S. 378ff.). (Jullien 1999, S. 63)

In der Denke liegen Weg und Ziel zusammen und sind untrennbar verbunden. (vgl. Scherrer 1984, S. 16) Somit taugen die Organisationsziele aus Unterscheidungsmerkmal zwischen NPO und PO nichts. Der Unterschied, so ein solcher vorhanden ist, muss anders begründet werden – z.B. in der Bedeutung des Systems: „Das System hat sich dem Wohlergehen des Menschen und nicht der Mensch dem Funktionieren des Systems unterzuordnen.“ (ebd.)

Bibliographie

  • Bea, F. X./ Haas, J. (2001): Strategisches Management, 3. Auflage, Stuttgart
  • Dörner, D. (2002): Die Logik des Mißlingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen, 15. Auflage, Reinbek bei Hamburg
  • Friedrichsmeier, H. (1985): Planung als Führungsinstrument in der öffentlichen Verwaltung: eine empirisch gestützte Grundlegung am Beispiel d. Arbeitsmarktverwaltung u. d. Postautodienstes in Österreich, Baden-Baden
  • Heinen, E. (1971): Grundlagen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen, 2. Auflage, Wiesbaden
  • Jullien, F. (1999): Über die Wirksamkeit, Berlin
  • Kirsch, W. (1997): Wegweiser zur Konstruktion einer evolutionären Theorie der strategischen Führung, München
  • Kirsch, W. (1997a): Strategisches Management: Die geplante Evolution von Unternehmen, München
  • Kirsch, W. (1997b): Kommunikatives Handeln, Autopoiese, Rationalität. Kritische Aneignun-gen im Hinblick auf eine evolutionäre Organisationstheorie, 2. Auflage, München
  • Kirsch, W. (2001): Die Führung von Unternehmen, 2. Auflage, München
  • Lechner, K./ Egger, A./ Schauer, R. (1999): Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschafts-lehre, 18. Auflage, Wien
  • Lehner, J. M. (1996): Implementierung von Strategien, Wiesbaden
  • Luhmann, N. (2002): Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg (Hrsg. von Baecker, D.)
  • Ortmann, G. (1976): Unternehmungsziele als Ideologie. Zur Kritik betriebswirtschaftlicher und organisationstheoretischer Entwürfe einer Theorie der Unternehmungsziele, Köln
  • Scherrer, W. (1984): Den Frieden leben lernen. Der Sarvodaya-Weg Mahatma Gandhis. Ein Beitrag zur Friedensarbeit und Friedenserziehung, München/ Basel
  • Senge, P. M. (1994): The Fifth Discipline, New York et al.
  • Steinle, C./ Bruch, H. (1998): Controlling: Kompendium für Controller/innen und ihre Ausbildung, Stuttgart