(c) Karl Baumann 2011: Chef-Sessel, Innsbruck im September, SONY ERICSSON P1i

Nach der Sichtung verschiedener Materialien im Zuge verschiedener Projekte komme ich zur These, dass Selbst-Steuerung und Selbst-Evaluierung keine Alternative zu Führung darstellen kann, insofern mit Führung auch eine zwischenmenschliche Verantwortung übernommen wird. Selbst-Steuerung und Selbst-Evaluierung sind gewiss bequeme Über-Antwortungsmethoden, um von einer Führungslosigkeit ablenken zu können.

Wie könnte es anders zu erklären sein, dass gerade in einer Organisation wie z.B. jener einer Universität eben die einfachsten Dinge übersehen werden und z.B. JungwissenschafterInnen plötzlich ohne finanzielle Mittel und jedweder Perspektive da stehen. Dabei ist selbst in dieser Debatte der Irrsinn von Selbst-Steuerung schon soweit entwickelt, als die JungwissenschafterInnen, die eben nicht mit Führungs- und somit Budgetkompetenz ausgestattet sind, selbst dafür verantwortlich gemacht werden, nicht ausreichend für sich sorgen zu können.

Auch die Rede von intrinsischer Motivation hat sich als sozial-romantisch entlarvt. Bei dem Versuch zu erklären, warum es den Anschein macht, dass sich in kultur- und wissensproduzierenden Organisationen das Phänomen der „Selbstausbeutung“ beobachten lässt, wurde festgestellt, dass diese Selbstausbeutung keineswegs „bewundernswert“ zu verstehen ist, als verschiedene Gründe dazu führen, dass es dazu kommt: Wunsch nach Aufmerksamkeit, Geltungsdrang, Probleme mit Autoritäten, Schwierigkeiten der Einordnung, fehlende (Sozial-)Kompetenz auf der einen Seite und Führungsschwäche auf der anderen Seite.

So wird die Ausbeutung teilweise auch als angenehm empfunden, weil eben sadistische Veranlagungen vorhanden sind.

Sie sind auch eine Konsequenz von Leistungskultur, die notwendigerweise mit sich bringt, dass Glück und Wohlstand erst dann akzeptabel sind, wenn zuvor im ausreichenden Maße Mühsal und Schmerz als Konsequenz echter Leistungsbereitschaft er-litten wurde. Erst ein gewisses Maß an Qualen, die (auch oder vor allem in einem sportlichem Selbstverständnis) erlebt wurden, rechtfertigen, im Wohlstand leben und arbeiten zu dürfen1Damit ist diese Mentalität des „sich nach oben arbeiten“ eng verbunden, die sich in Österreich sehr stark erkennen lässt. Wobei paradoxer Weise bei diesem „sich nach oben arbeiten“ besonders politische – also ideologische – Verbindungen notwendig und hilfreich sind..

Die Führungskraft (der Leader) steht als solches vor dem Dilemma, Paradoxon oder Zielkonflikt, seinen Untergebenen möglichst viel Freiheit einzuräumen, in der Hoffnung, dass diese Freiräume eigeninitiativ genutzt werden und gleichzeitig Verantwortung für den Erfolg seiner Untergebenen zu übernehmen. Ein einfacher Vergleich drängt sich auf:

Der „Leader“ wirft seine Zöglinge ins Wasser, in der Hoffnung, sie werden selber schwimmen lernen – doch rettet er Sie auch vor dem Ertrinken, wenn sie es eben nicht schaffen?

Dazu eine bemerkenswerte Aussage von Edelbert Köb (Direktor MUMOK, Wien) (auch von Walter Famler, Leiter Alte Schmiede, Wien, in ähnlicher Form geäußert), der (sinngemäß) schon im Vorhinein wisse, wann etwas keinen Erfolg haben wird. Er ließe es aber einfach zu, weil er könne sich ja nicht die ganze Zeit nach dem richten, was gewünscht wird.

Wenn seine KuratorInnen über längere Zeit etwas Anspruchsvolles machen, dann ziehe das keine einzige BesucherIn in das Museum. Wenn es notwendig würde, stelle er sich dann eben wieder hin und mache etwas, das garantiert Publikum anziehen würde. Insofern sorge er damit dann wieder dafür, dass die Budgets des Museums und dadurch auch die Existenzen seiner KuratorInnen gesichert sind.

Edelbert Köb

Dies ist ein einfaches Beispiel, wie mit dem Dilemma zwischen Freiheit zum Scheitern, Zwang zum Erfolg und Führung umgegangen werden kann.

Moderne Management Methoden, wie z.B. die des MitarbeiterInnengespräches, sind im Kontext dieser Problematik bestenfalls „nette Versuche“ und fördern die zweifellose Notwendigkeit zur sachlichen Auseinandersetzung und Reflexion mit Arbeit, Arbeitszufriedenheit, Zusammenarbeit, etc. Sie sind jedoch keinesfalls ein ausreichender Ersatz für die Führungsaufgabe insgesamt.