Daran zu glauben, dass – welches Land auch immer – durch Isolation, durch den Aufbau einer „Insel der Seeligen“ quasi „gerettet“ oder verbessert werden kann, ist Irr-Sinn. Es irrt in dem Sinne, als es von dem Glauben ausgeht, ein Nationalstaat könnte sich innerhalb einer hochgradig global vernetzten Wirtschaft, somit hochgradig global vernetzter Versorgungsketten und hochgradig global vernetzten Gesellschaft autonom versorgen und damit würde etwas besser.

Ich kann den „Kulturkampf“ vollkommen nachvollziehen, bei dem es darum geht, gewisse Verhaltensformen und auch regionale Kulturen (Kultur als die Summe von Wertvorstellungen, Glaubensverständnissen und Verhaltensmustern) zu erhalten. Ich sehen keinen Platz für z.B. „Halloween“ oder den „Weihnachtsmann“ in allen Bereichen von Österreich. Bei „uns“ feiern wir Allerheiligen und Allerseelen und zu Weihnachten kommt das Christkind und das ist auch wunderschön so. Wer Halloween feiern will oder will, dass der Weihnachtsmann kommt, kann in entsprechende Regionen dieser Welt reisen. Das hat im übrigen Reisen noch vor einigen Jahren interessant gemacht, denn es ging dabei um die Berührung mit und das Kennenlernen von fremden/anderen Kulturen.

Menschen brauchen Orientierung im Leben. Und die regionale Kultur, die regionalen Verständnisse von einem guten Leben sind dabei ganz wichtig. Und Integration bedeutet aus meiner Sicht sehr einfach, sich in die regionale Kultur einzugliedern und nicht umgekehrt. Das hatte der Begriff der „Gastfreundschaft“ zum Ausdruck gebracht, der beide Beteiligten fordert, den Gast und auch den Gastgebenden.

Dabei ist für mich ein weltoffener Mensch der, der es versteht, ein globales Kulturverständnis auf Basis der „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (Universal Declaration of Human Rights) vom 10. Dezember 1948 und gleichzeitig die Würdigung der regionalen Kultur im Sinne des „sowohl-als-auch“ zu leben. Das ist dann aus meiner Sicht ein gesundes Verständnis im Umgang mit unserer wunderbaren globalen Vielfalt an Kulturen.

Die globale wirtschaftliche und gesellschaftliche Vernetzung der Welt hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Als ich noch jung und verliebt war in ein Mädchen aus Finnland, das ich in Österreich kennen gelernt hatte, musste ich Briefe schreiben, diese per Post verschicken und wochenlang auf Antwort antworten. Unsere „Beziehung“ hat nicht gehalten. Heute ist das eine eNachricht und einen kurzer Flug entfernt.

Die Welt ist globalisiert und das ist auch sehr gut so. Somit sind jedoch auch unsere Herausforderungen global geworden. Die größte aller Herausforderungen aktuell – die globale Erderwärmung, die damit verbundene Klimaveränderung und das sich daraus ergebende Artensterben – lässt sich zum Beispiel einzig global lösen.

Alle leiden unter den Treibhausgas-Emissionen durch die Fossilen Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas – ca. 65%) und der Fleischproduktion (ca. 25%). Deshalb ist es Irr-Sinn zu glauben, der Nationalstaat wäre eine „Lösung“.

Ganz im Gegenteil, so es nicht gelingt, starke, globale soziale, ökologische und ökonomische Standards rasch zu etablieren, der Nationalstaat wird enorm unter Druck geraten. Milliarden Menschen werden ihren Lebensraum verlieren und in den Norden flüchten wollen. Wir brauchen aus meiner Sicht mehr und viel bessere globale Kollaboration, mehr und viel bessere globale Politik, mehr globale Demokratie. Wir brauchen nach der „wirtschaftlichen Globalisierung“ jetzt eine „politische Globalisierung“ und den Aufbau einer „Globalen Demokratischen Republik“.

So wir zurück zum „Nationalstaat“ wollen, so würde das auch die Zerschlagung der globalen Wirtschaft und globalen Gesellschaft bedeuten. Das ist aus meiner Sicht anachronistisch und tatsächlich deutlich utopischer, als der Aufbau einer globalen Demokratie.

Die Menschen verstehen, dass wir globale Lösungen brauchen. Doch derzeit gibt es keine demokratisch legitimierten globalen politischen Strukturen, diese globalen Lösungen auch tatsächlich zu liefern. Daran gilt es zu arbeiten und dann kommt auch das Vertrauen in Politik und Demokratie zurück.